Das dritte Erzählbistro fand im nationalen Zentrum der Bewegung «ATD Vierte Welt» in Treyvaux, Kanton Freiburg, statt. Es war ausschliesslich in französischer Sprache gehalten. Rund vierzig Betroffene fürsorgerischer Zwangsmassnahmen aus allen Kantonen der Westschweiz, aber auch aus den Kantonen Bern und Aargau sowie dem benachbarten Frankreich nahmen daran teil.

Wieder wurden in kleinen Gruppen Lebenserzählungen und Schicksale unter Betroffenen und Freiwilligen von ATD Vierte Welt ausgetauscht. In den Erzählkaffees und beim gemeinsamen Mittagessen entstand eine dichte, wohlwollende Stimmung allen gegenüber. Die Antworten auf die Frage: «Was war es, das mich mein Schicksal aushalten und durchhalten liess?» wurden mit Respekt und Wertschätzung aufgenommen. Ein Teilnehmer erklärte es so: «Wenn wir Betroffene anderen Menschen von unseren Platzierungen erzählen, interessiert es die einen nicht und sie sagen: ach, das ist längst vergangen. Und für jene, die zuhören mögen, für die werden die Grausamkeiten und die Gewalt rasch zu viel. Wir lernen, nichts mehr und niemandem von uns zu erzählen. Aber hier im Erzählbistro wissen wir alle, um was es geht und wir interessieren uns füreinander und hören einander zu, so lange wie es nötig ist!»

Der Nachmittag wurde von Frau Nationalrätin Ursula Schneider Schüttel eröffnet. Es wurden Werke künstlerischer und handwerklicher Art von Betroffenen gezeigt. Mit diesen gaben sie ihren meist schweren Schicksalen in Malereien, Bildern und Skulpturen, auch Handwerk einen sichtbaren Ausdruck. Bei den Besprechungen dieser Werke ergaben sich viele Anstösse zu Gesprächen und Einsichten. Weitere Teilnehmende wurden angeregt, ihren Erlebnissen auch Ausdruck zu verleihen. Dem dienten ebenfalls Fotos und Bilder, welche die Teilnehmenden nach Treyvaux mitgebracht hatten.

Die Teilnehmenden forderten Erzählbistro auf, auch anderen Betroffenen, die vielleicht noch nie zu Wort gekommen sind, die Möglichkeit zur Teilnahme zu verschaffen. Auch solle in den Ausbildungsstätten für Sozial- und Lehrberufe von den fürsorgerischen Zwangsmassnahmen vor 1981 erzählt werden, damit sie sich nicht wiederholten.

Wer ist die Bewegung ATD Vierte Welt?
«ATD Vierte Welt» ist eine internationale Bewegung, die sich für die Würde aller einsetzt. Sie macht insbesondere die Menschenrechte für Menschen in extremer Armut geltend. Sie will mit materieller Unterstützung aber auch Förderung von Bildung in Partnerschaft mit den Ärmsten die extreme Armut angehen und überwinden helfen. ATD Vierte Welt besteht in der Schweiz seit 1967 und ihr nationales Zentrum befindet sich in Treyvaux im Kanton Freiburg. Es wurde von Pater Josef Wresinski gegründet, um wegen Armut getrennte Familien zusammenführen zu können.

Viele Betroffene von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen wurden von ATD Quart Monde unterstützt und bei der Auseinandersetzung mit ihrem Schicksal gefördert. So entstand eine einzigartige Sammlung von Gemälden, Skulpturen, Handwerk und anderen Ausdrucksgegenständen. Die Erfahrung von ATD Vierte Welt in der Zusammenarbeit mit Betroffenen empfiehlt die Bewegung aber auch als Zusammenarbeitspartner für Erzählbistro.

Siehe auch www.vierte-welt.ch

Nationalrätin Schneider Schüttel eröffnet den Nachmittag Simone Hohmann stellt ihr Gemälde «l’ombre» (Der Schatten) vor Das Wohnhaus von Elisabeth Gillard, gemalt von Urs Kehl Daniela Hersch und Rosa Veroni Koller mit Lebensbericht