Liebe und Zuneigung, wie sie Kinder normalerweise von ihren Eltern bekommen, hat Fred Krummenacher nie erfahren. In Bern geboren aber nicht geborgen. Eine fürsorgliche Mutter kannte er nicht, der Stiefvater gab ihm mit Schlägen zu verstehen, dass er unerwünscht sei. In seiner Jugend wurde Fred hin- und hergeschoben, man hat sich nicht um ihn gekümmert, sondern über ihn verfügt. In den Akten der Vormundschaftsbehörden lässt sich alles nachlesen. «Eiskalt wurde über mein Leben bestimmt», sagt Fred Krummenacher heute und erinnert sich zurück. An die schlimme Zeit im Erziehungsheim, im Jugenddorf St. Georg in Bad Knutwil. «Die Neuen wurden eingeprügelt», erzählt er, hinzu sei die subtile Gewalt der Leitung gekommen. Nur weg von Bad Knutwil. Nur weg wollte er. So rasch wie möglich. Da war er noch ein Kind. 

Späte Wertschätzung 

Eine Ausbildung konnte Fred Krummenacher in seiner Jugend nie abschliessen. «Wir haben uns für einen besser qualifizierten Bewerber entschieden». Oft hat er diese Zeilen gelesen. Die Lebensumstände liessen die geforderten beruflichen Qualifikationen nicht zu. Es fehlte an Geld und Unterstützung. Das schmerzte. Aber über viele Umwege hat er mit 22 Jahren dann doch seine Leidenschaft gefunden: Lastwagen fahren und noch besser – Postauto fahren. Er lernte das Bernbiet kennen, auch die Schweiz – so viele Kilometer. So viele Menschen. Auch seine Frau, mit der er seit 27 Jahren verheiratet ist. Heute ist er Vater von drei wunderbaren Söhnen. Und dann die späte Karriere als Betriebsplaner beim RBS. Fred ist das ganze Streckennetz mit einem Bus abgefahren, hat die Distanzen, die Zeit, die Koordinaten erfasst, das System aufgebaut. Er hat es geschafft. Heute ist er «Fahr- und Umlaufplaner» bei der Firma Engadinbus in St. Moritz – und das als «Ungelernter».

Mit Solidaritätszahlung Postauto gekauft

Fred Krummenacher ist ein Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen. Er hat den Solidaritätsbeitrag erhalten und sich ein Postauto gekauft. Warum? «Ich habe beim Postautofahren erstmals Wertschätzung erfahren», erklärt Fred. Die Leute wussten, dass sie dank ihm, dem Fahrer, zu ihrem Ziel gelangten. Und dafür waren sie ihm dankbar. Auch, weil er freundlich war. Weil er immer grüsste. Weil er die Kunden gut behandelte. Sein Postauto ist nicht irgendein Postauto. Es ist ein Schweizer Postauto. Von Saurer. Er kannte es von früher, als es noch in Betrieb war. Dieses Postauto ist über den Furkapass gefahren, es war in Paris. Auch Bundesräte sassen bereits in seinem Postauto. «Es war eine Fügung», ist Fred überzeugt, dieses Postauto gehört zu ihm. Er wollte es haben, und er hat es bekommen. «Es gibt mir eine ganz tiefe Befriedigung, wenn ich mit dem Postauto unterwegs bin. Hier kann mich niemand plagen, da kann mir niemand befehlen. Am Steuer fühle ich mich wohl. Das gibt mir ein richtiges Glücksgefühl. Jetzt ist es mein Leben, jetzt gehe oder fahre ich meinen Weg.»