Die Aufarbeitung läuft: Vom Runden Tisch über die Wiedergutmachungsinitiative zum Erzählbistro

Der Runde Tisch, an dem Opfer sowie Behörden und weiterer Organisationen teilnahmen, war im Juni 2013 von Bundesrätin Simonetta Sommaruga eingesetzt worden. Der Runde Tisch hatte den Auftrag, eine umfassende Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen vor 1981 in die Wege zu leiten.

Im Frühling 2014 lancierte ein überparteiliches Komitee die sogenannte Wiedergutmachungsinitiative. Diese Volksinitiative war politisch notwendig, weil es bis zu diesem Zeitpunkt keine gesetzliche Grundlage für eine umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung und finanzielle Wiedergutmachung gab. Aufgrund der Kampagne und der breiten Unterstützung durch die Bevölkerung übernahm das Schweizer Parlament alle zentralen Forderungen der Initiative. Im Rahmen eines indirekten Gegenvorschlags haben die Verdingkinder und anderen Missbrauchsopfer einen Solidaritätsbeitrag zugesprochen bekommen. Über 11000 Betroffene haben ein Gesuch gestellt und damit noch zu Lebzeiten eine offizielle Anerkennung für das erlittene Unrecht erfahren. Nebst dieser finanziellen Leistung wird das dunkle Kapitel der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, das über Jahrzehnte hinweg tabuisiert worden war, nun auch umfassend aufgearbeitet.

Parallel zu dieser Aufarbeitung, die einen wissenschaftlichen Aussenblick darstellt, haben die Betroffenen selbst verschiedene Selbsthilfeprojekte initiiert. Eines davon ist das Erzählbistro, ein Austausch- und Informationsprojekt, bei dem die Geschichten der Betroffenen im Zentrum stehen.

Der Blick zurück: Fürsorgerische Zwangsmassnahmen – ein dunkles Kapitel Schweizer Geschichte

Die Praxis der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen hat bis in die 198oer-Jahre enormes Leid über die Betroffenen gebracht: Aufgrund dieses dunklen Kapitels der Schweizer Geschichte haben Verdingkinder und Heimkinder schwerstes Unrecht, Misshandlungen und Missbrauch erlitten. Tausende von Personen wurden ohne Gerichtsbeschluss administrativ versorgt. Frauen wurden unter Zwang sterilisiert oder zur Abtreibung gezwungen. Kinder wurden gegen den Willen ihrer Mütter zur Adoption freigegeben oder in Waisenhäusern und Kinderheimen platziert. Vor allem Menschen, die den früheren gesellschaftlichen und moralischen Wertvorstellungen nicht entsprachen, arm oder randständig waren, wurden Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen.

Betroffene Opfergruppen

Fahrende

Opfer von Zwangssterilisierungen, Zwangskastrationen und Zwangsabtreibungen

Heimkinder

Opfer von Medikamentenversuchen

Opfer von Zwangsadoptionen

Opfer von administrativrechtlichen Versorgungen

Verdingkinder