Zum traditionellen Sommerfest in Mümliswil sind gut 250 Personen zusammengekommen. Die Betroffenen von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen reisten aus der ganzen Schweiz an. Dabei stand bei den Reden die Frage im Zentrum, wie die Aufarbeitung der Geschichte weitergeführt werden kann – in der Gesellschaft aber auch bei den Betroffenen selber.

Bei ausgelassener Stimmung haben die Betroffenen von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und Fremdplatzierungen den traditionellen Sommeranlass in Mümliswil gefeiert. Der «Buurezmorge» und das «Trio Bodenständig» boten den gemütlichen Rahmen des Sommerfestes, zu dem die Guido Fluri Stiftung und das Selbsthilfeprojekt «Erzählbistro» geladen hatten.

Die Mehrzahl der Betroffenen, die für das Sommerfest in den Kanton Solothurn kamen, haben vom Bund bereits die Bestätigung erhalten, dass ihr Gesuch für einen Solidaritätsbeitrag bewilligt worden sei. Guido Fluri, der Urheber der Wiedergutmachungsinitiative, betonte dazu in seiner Rede, dass zwar kein Geld der Welt das begangene Unrecht ungeschehen mache könne. Dennoch sei der Beitrag ein wichtiges Zeichen: «Der Solidaritätsbeitrag ist die öffentliche Anerkennung, dass den Opfern Unrecht angetan wurde.» Damit zeigten Staat und Gesellschaft, dass sie ein Stück Gerechtigkeit wiederherstellen wollten. Doch damit sei es noch nicht getan, so Fluri gegenüber den Anwesenden: «Die Bemühungen der Gesellschaft um eine echte Aufarbeitung der Geschichte muss weiter gehen. Es braucht die umfassende wissenschaftliche Aufarbeitung, damit das Unrecht, das früher passiert ist, heute und morgen nicht mehr passieren kann.»

Nebst Diskussionen rund um die allgemeine Aufarbeitung der fürsorgerischen Zwangsmassnahmen, drehten sich viele Gespräche bei den Betroffenen um die Frage, wie man heute mit der eigenen Geschichte umgeht und wie man diese verarbeiten kann. Eine Möglichkeit, wie dies geschehen kann, zeigte sich in Mümliswil sinnbildlich in der riesigen Installation des Künstlers Franz Gehrig, selber ein Betroffener. 60 einzelne Bilder fügten sich zu einem grossen Ganzen zusammen. Wie Urs Allemann, Initiant des «Erzählbistro» in seiner Rede ausführte, geht es im Werk Gehrigs um einen sehr persönlichen Umgang mit der Geschichte: «Man könnte darin eine Wand, eine Mauer sehen. Aber das Harte ist in Farbe verwandelt. Es ist eine durchlässige Wand. Franz Gehrig spricht von einer Brücke. Diese Brücke führt zu Geborgenheit, zu Heimat und Schutz. Jeder Mensch hat in sich eine Sehnsucht nach Geborgenheit und Heimat, nach Würde und Kreativität.» Diese angesprochene Kreativität zeigte sich auch bei der Ausstellung mit Bildern und Kunstobjekten, welche Betroffene selber gemalt und gestaltet hatten. Daneben besuchten die Gäste die Nationale Gedenkstätte für Heim- und Verdingkinder, welche ebenfalls in Mümliswil gelegen ist.

Das Sommerfest 2019 war ein voller Erfolg. Der nächste Anlass des «Erzählbistro» findet für die Westschweizer Betroffenen nach den Sommerferien statt. Am 22. August treffen sie sich in Fribourg. Informationen folgen. Der nächste Anlass für die Deutschschweizerinnen und Deutschschweizer wird für den Herbst im Raum Zürich organisiert