Aus dem Buch «alles kein Zufall» von Elke Heidenreich

Lesen

Ich steige ins Taxi, der Fahrer liest in einem Buch. Ich sage ihm, wohin ich fahren möchte, er seufzt, fährt los, das Buch offen auf dem Schoss. Die Ampel ist rot, er liest weiter. Die Ampel wird grün, er liest, bis es hinter ihm hupt, dann fährt er los, in aller Ruhe.

Das wiederholt sich an jeder Ampel.

Ich finde das sehr komisch, irgendwie auch sehr schön und als ich ausgestiegen bin, ärgerte ich mich, dass ich ihn nicht gefragt habe, was er da liest.

Exotisch

Eine alte Dame steht unschlüssig vor den Obst- und Gemüseauslagen im Supermarkt. Ich komme und kaufe Avocados und Artischocken. Sie starrt in meinen Einkaufswagen und sagt dann: «Darf ich Sie etwas fragen?»

Natürlich darf sie. «Wie isst man das?» fragt sie und zeigt auf die stacheligen Artischocken. Ich erklärte ihr, wie ich sie esse: In Salzwasser kochen, eine Sahnesauce aus Muskat und Zitrone machen, Blättchen abzupfen, eintauchen. Das Herz von Haaren befreien und als letztes essen.

«Und das schmeckt?» will sie wissen. Das kann ich versichern und erkläre auch, was man mit Avocados machen kann. «Früher gab es das alles nicht» sagt sie. Und endlich kann ich die Gelegenheit beim Schopf ergreifen, auf die ich schon so lange warte. «Wissen sie noch, was Stielmus ist oder Mangold, und wie man das macht?» Jetzt blüht sie auf, natürlich weiss ich das!

Wir haben uns noch öfters getroffen. Ich kann jetzt besseren Kartoffelsalat machen, und sie hat Auberginen für sich entdeckt. Litschis und Physalis haben wir zusammen zum ersten Mal ausprobiert und uns angesehen: «Braucht man das?»